Besuch bei unseren Schafen


Gestern fuhren Britt und ich, wie seit längerem in jeder Woche einmal, zu unseren Schafen. Sie "wohnen" in einer Schäferei in Brandenburg. Es war gestern nicht so furchtbar heiß wie sonst, trotzdem lagen unsere Freunde recht inaktiv unter Bäumen. Gegrast wird morgens und gegen Abend.
Nachdem Britt mit dem Hund der Schäferei einen langen Spaziergang unternommen hatte, auf den er sehnlichst hoffte, nachdem er uns kommen gehört hatte, besuchten wir die Pensionsherde. Sie besteht aus dreizehn Tieren. Ich (Minna) unterhalte und unterstütze sechs Patentiere: Petit Criü, Paul, Pony, Mecki, Cognac und Timo. Bis vor kurzem waren es noch sieben. Meine kleine Karoline, ein gutes Jahr alt, ist leider letzte Woche gestorben.

Petit Criü ist 2008 geboren, Paul 2003, Pony 2005, Mecki sehr alt, wie alt, wissen wir nicht, Cognac 2010 geboren und Timo 2015. Britt hat die Pflegschaft für Dorothea, schon älter, Philomena, geb.2017, Enisa,  geb. 2018 und für Nayala, geb. 2016, übernommen. Dann gibt es noch Jean Paul, geb. 2018 mit einem Paten und Hugo, geb. 2016 mit einer Patin, die sie finanziell unterstützen. "Mütterchen" und Apolda sind auch bei der Pensionsherde, ehemalige Mutterschafe, die irgendwie es geschafft haben, dass der Schäfer sie weiter hält, obwohl sie keine Jungen mehr bekommen. Und Julia, geb. 2015, sie hat auch eine Patin.

Jedenfalls sind da gerade 13 Tiere mit insgesamt 6 Paten und Patinnen.


 


Petit war gestern ganz guter Laune. Oft ist er eifersüchtig und zieht sich zurück, um alles aus der Ferne genau zu beäugen, was ihm nicht passt. Wenn es ihm gut geht, lächelt er.

Wir saßen im leichten Wind und im Schatten unter einer riesigen Weide und die Schafe, die mit uns zu tun haben wollten, kamen vorbei und ließen sich kraulen. Alle sehen rund und sehr zufrieden aus. Sie erhalten gute Pflege, die Weide ist nach einem Regen auch wieder grün geworden und sie haben jeden Tag Kontakt zum Schäfer, der sie auf eine sehr freundliche und persönliche Weise anspricht und versorgt.


Hier nimmt Jean Paul Kontakt zu Britt auf und lässt sich ausgiebig streicheln.






Unter der Weide sitzt und liegt es sich sehr gemütlich. Ein sanfter Wind streicht vorbei.Die Tiere liegen oder sind bei uns und geben uns etwas von ihrer großen inneren Ruhe und ihrem Aufgehobensein in diesem Moment ab. Die Atmosphäre bekommt etwas Zeitloses.

Für mich ist es eine therapeutisch wohltuende lange Weile. Die Schafe sind wohlwollend, freundlich, sie haben eine große innere Ruhe und Zufriedenheit und sie sind gern mit uns zusammen. Das ist ein großes Geschenk. Man muss es aber auch erkennen und annehmen können. Es ist ein bisschen wie der Vorschein auf eine bessere Welt, eine Welt, die ganz weit weg und fern liegt.



 Dann sucht Julia ein wenig Nähe, und das sehr ausgiebig.

Weidenblätter sind eine große Delikatesse für unsere Schafe. Wir haben sie ausgiebig damit versorgt. Aber irgendwann müssen wir aufstehen. Es gibt nämlich ein paar unserer Schafe, die in der "Mutterherde" stehen, und zwar aus Gründen. Die Tiere der Pensionsherde sind große Individualisten, einige der jüngeren verhalten sich recht raubauzig und nicht sehr freundlich gegenüber Schwächeren und Älteren. Besonders Enisa und Jean Paul sind solche Schulhofrabauken, die jeden wegboxen, der ihnen im Wege steht. Wir nehmen unsere Stühle und schleichen uns davon, zur Mutterherde. Alle bleiben liegen. Zum Glück haben wir sie nicht unnötig aufgescheucht.

Als wir die andere Weide betreten, stürmen alle auf uns zu. Paul und Pony kommen auch langsam näher. Hier stehen die Mütter mit ihren Lämmern, d.h. sie lagen unter drei Bäumen im Schatten. Jetzt setzen wir uns dazu. Dort begrüßen uns Paul und Pony. Und Wendula. Paul ist 16 Jahre alt, er ist das letzte der Lenauer Schulschafe, die vor 11 Jahren hier in der Schäferei eine neue Heimat fanden.



Paul ist das netteste und sanfteste aller Schafe, man könnte sagen, er ist hochsensibel und sehr introvertiert, jedenfalls wirkt er so.
Man sieht, dass es Paul gut geht. Wir kennen uns seit seinem ersten Tag.
Paul und Pony wurden in diesem Frühling nicht geschoren. Das Scheren ist eine sehr gewaltsame Tätigkeit, für sensible Schafe beim ersten Mal - und überhaupt! -ein großer Schock. Für alte Schafe eine schwierige Sache, denn es stehen schon Knochen hervor und die Haut ist pergamentig und nicht mehr so elastisch. Der Schafscherer - leider ein sehr seltener Beruf! - kriegt sich immer nicht mehr ein, wieso er so alte klapprige Mähren scheren soll, die längst in die Schlachtung gehört hätten. Die Gefahr vieler Wunden ist sehr groß.

Außerdem ist Pony seit ein paar Monaten blind. Als altes und/oder blindes Schaf geschoren zu werden, ist sicher  ein Riesenschock, das wollten wir den beiden ersparen.

Daher kommt in den letzten Monaten die Schere immer mit und ich schnippele immer einzwei Tüten voll von der Winterwolle weg. Es ist ein wunderschönes Gefühl, wenn Paul da steht und das sichtlich genießt, während der Haufen mit der Wolle neben ihm immer größer wird. So schön kann das Scheren für uns beide sein!!



Pony steht dann ungeduldig daneben und will auch.

Also, Pony erblindete vor ein paar Monaten. Er war hilflos und desorientiert und sehr panisch, er rannte in die Netze und in alles hinein, was vor ihm stand. Da geschah ein Wunder, das Blindenwunder! Paul schloss sich an Pony an und Pony an Paul, immer stehen die beiden ganz eng zusammen. Paul bewegt sich langsam voran und Pony in Armeslänge dahinter oder daneben. So führt Paul Pony ans Wasser oder auf der Weide herum und nach und nach gewann Pony wieder Sicherheit und innere Ruhe zurück.

Wir sind alle sprachlos über diese schöne Entwicklung!

 

So schlecht sieht Pony nach dem Scheren doch gar nicht aus.

Dann passiert etwas, das nicht vorgesehen war - ein sehr kleines schwarzes Lamm kommt her, schaut, kommt näher, schaut, schaut lange zu und kommt sehr nahe, legt sich ganz nah zu mir hin. Das hat mich sehr beschäftigt. Es nimmt von sich Kontakt auf. Es stellt eine Verbindung von sich aus her.




Paul und  Pony schauen zu. Und da liegt es nun, klein, bescheiden, schwarz und so vertrauend. Soll ich es abweisen? Das kann ich nicht. Es ist sehr schwer für mich, in der Mutter- und Lämmerherde zu sein. Ich halte ein wenig Distanz, denn wie heißt es in "Der kleine Prinz"?

Wer jemanden zahm macht, der übernimmt Verantwortung für den anderen. Nicht jedes Lamm sucht den Kontakt. Es geht mir wie dem Schäfer: Er kümmert sich und tut alles für seine Lämmer, aber am Ende des Jahres erwartet sie etwas, das mit der Idylle, wie sie auf den ersten Blick erscheint, nicht zu vereinbaren ist. Daher bleibt er ein wenig in innerer Distanz.

Die Tiere werden auf dem Hof nach den jahrhundertealten Regeln der Tierhaltung gehalten. Es ist keine Massentierhaltung, es ist eine nachhaltige Landschaftspflege, aber es gab die Schäferei, bevor die Schulschafe kamen als einen Betrieb zur Fleischherstellung. Es ist also kein Gnadenhof. Auf diesem Hof herrschen zwei Logiken den Tieren gegenüber. Für die Wolle bekommt man seit der Wende 1989 kaum mehr einen Cent. Einen Ertrag bringt nur Biofleisch.

Das ist ein großes Problem für mich. Pony und Paul brauchen den Schutz dieser freundlichen Herde, aber hier herrschen andere Gesetze als drüben in der Pensionsherde.



Wenn dieses Schäfchen jetzt auf mich zukommt, habe ich eine Entscheidung zu treffen. Doch darüber ein andermal mehr.Vielen Dank fürs Zu-Ende-Lesen und Drangebliebensein!!

Eure Minna


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